Persönliches

Meine ersten Nähversuche habe ich im Team Anfang der 70er Jahre gestartet.
Krampfhaft habe ich versucht, den Stoff gerade unter der Nähmaschinennadel zu führen, während meine Schwester mit beiden Händen das Fußtrittbrett der mechanischen Nähmaschine auf und ab bewegt hat.
Bei der nächsten Naht wurden die Positionen getauscht. Auf diese kuriose Weise ist eine schaumstoffgefüllte Dekopuppe entstanden, die als Erstlingswerk einige Jahre in unserem Jungendzimmer an der Wand hängen durfte.
Später hat mir ein Volkshochschulnähkurs einen etwas besseren Einblick in Grundtechniken der Bekleidungsherstellung vermittelt.
Zahlreiche selbst genähte oder geänderte Blusen, Röcke und Hosen - in sehr unterschiedlichem Perfektionsgrad ausgeführt, aber immer voller Stolz getragen - brachten mir Übung beim Umgang mit Stoff, Nadel und Faden.

In den 90er Jahren habe ich einen Ausflug in Richtung Patchwork und Applikationen unternommen. Exaktes Arbeiten war dabei erstes Gebot.

Seit etwa der Jahrtausendwende konnte ich beim Nähen von Theaterkostümen für Theater WIR kreativ werden, da sich Nähanleitungen für Fabelwesen, Tiere und Ritter nur bedingt finden lassen.

2008 haben wir im Theater WIR ein Stück gespielt, das in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts spielte.
Damit mussten alle Akteure in die Mode dieser Zeit eingekleidet werden. Mit dem Nähen dieser Kostüme ist die Leidenschaft für die Mode des 19. Jahrhunderts entstanden.
Es ist ein spannender Prozess herauszufinden, was man - eigentlich eher Mann und Frau - in einer bestimmten Epoche dieses Jahrhunderts trug und wie diese Kleidung , möglichst ohne moderne Tricks wie Gummizug, Klettband, Reißverschluss oder Druckknopf, hergestellt werden kann.
Besonders interessant wird es, wenn man nicht nur die Oberbekleidung sondern auch die Unterkleidung herstellen möchte.
Mein erstes Korsett und der erste Reifrock trugen weite Züge der Methode “try and error” - aber die Ergebnisse werden immer besser und entscheidend ist der Spaß an der Sache.

Handwerkliche Einblicke

Entstehungsgeschichte eines Korsetts

Die Schnittteile werden auf den Stoff übertragen. Ein Korsett besteht aus drei Stofflagen: Äußerer Stoff mit Stickerei, grobe Einlage aus Baumwolle und weiße feine Baumwolle für die Innenseite. Alle Einzelteile müssen also dreimal übertragen und ausgeschnitten werden. Die Einzelteile aus Oberstoff und Einlage werden schrittweise aneinandergesteppt bis das komplette Korsett zusammengefügt ist. Der Innenstoff wird auf die gleiche Art zusammengesetzt.
Die beiden Korsettseiten werden übereinander gelegt und an den Rändern fixiert.

Nun beginnt die äußerst zeitaufwändige Arbeit des Versteifens durch das Einziehen von Fischbeinstäbchen, die heute aus Plastik sind. Dafür muss jeder Tunnel markiert und abgesteppt werden. Die Fischbeinstäbchen werden auf Länge geschnitten und die Schnittkanten mit Schleifpapier geglättet. Danach kann das Stäbchen eingeschoben und fixiert werden. Alle Kanten werden mit einem Satinband versäubert. Da die gewählte Korsettform sehr viele Ecken hat, muss man viel Geduld aufbringen, bis das Ergebnis zufiedenstellend ist. Die Ösen für das Zugband werden eingeschlagen. Danach kann die erste Anprobe erfolgen.

Entstehung Tournürenensemble

Das dreiteilige Tournürenkleid stellt bei 38 Einzelteilen eine kleine Herausforderung dar und ich brauche etwas mehr Zeit als ein verregnetes Wochenende, um das Ensemble zu vollenden. Deshalb habe ich auch nicht nach jedem Schritt zur Kamera gegriffen, sondern nur wenige Aufnahmen gemacht.

1. Schnitt und Stoffe müssen ausgewählt werden. Da das Ensemble aus Rock, Überrock und Oberteil besteht, sollte im Vorhinein klar sein, welche Stoffe und Verzierungen zum Einsatz kommen. Modifizierungen zum Grundschnitt überlege ich mir meistens schon vor Beginn der Arbeit. In diesem Fall hat das Oberteil andere Ärmel bekommen als im Schnitt vorgesehen war.
2. Alle Schnittteile werden ausgeschnitten und - in diesem Fall - nach der vorhandenen Nähanleitung zusammengefügt.